Korrekturprofil Aufgabe I A: Erörterung eines literarischen Textes
Zielrichtung der Aufgabe
Dieses Aufgabenformat verlangt eine vertiefte Auseinandersetzung mit einer vorgegebenen Pflichtlektüre in ihrer Gesamtheit. Es ist dabei nicht eine Interpretation einer einzelnen Textstelle vorgesehen, sondern es geht darum, eine Position zur
Ganzschrift wiederzugeben und mit Blick auf den Gesamttext eigenständig zu erörtern. Dazu wird den Schülerinnen und Schülern ein längerer Außentext (ca. 300–600 Wörter) vorgelegt, der eine Perspektive auf die Ganzschrift eröffnet (z.B.
Rezension, Sekundärliteratur). Die erste Teilaufgabe verlangt, dass die Kernaussagen des Außentextes herausgearbeitet werden. Darauf aufbauend fordert die zweite Teilaufgabe eine textbezogene Erörterung, die in einer
Auseinandersetzung mit der Position des Außentextes oder mit einem Erörterungsthema, das die Aufgabenstellung mit Bezug auf ihn formuliert (in der Regel ein zentraler Aspekt des Außentextes), besteht.
Kernthesen herauszuarbeiten verlangt, sie „aus einem Textganzen heraus[zu]lösen und in textbezogener Vorgehensweise akzentuiert [und] auf Wesentliches konzentriert heraus[zu]heben“1;
dabei können zentrale Aussagen auch zitiert werden. Ziel ist die konzentrierte Darstellung eines Begründungszusammenhanges. Erörtern heißt der Definition des Operators gemäß „sich mit einem Thema kritisch, differenziert und argumentativ befassen
[und] in schlussfolgernder Abwägung des Für und Wider unter Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven ein begründetes Urteil fällen“2. Die literarische
Erörterung setzt ein genaues Textverständnis voraus.
Korrekturprofil
- Ist eine sinnvolle Gliederung erkennbar? Ist der Aufsatz insgesamt konzeptionell schlüssig und gedanklich klar strukturiert? Wird der vorhandene Gestaltungsspielraum zielführend genutzt?
- Ist die Einleitung funktional, d.h. thematisch angelegt, passend, knapp und präzise? Nennt sie die wesentlichen Basisinformationen zu Außentext und Ganzschrift? Vermeidet sie floskelhafte Formulierungen?
- Werden die wesentlichen Aussagen des Außentextes eigenständig wiedergegeben? Werden seine Kernaussagen in ihrer inneren Logik und in ihren wesentlichen Begründungszusammenhängen konzise in eigenen Worten dargestellt? Werden weitschweifige Paraphrasen vermieden? Ist die Darstellung neutral, d.h. wird die eigene Meinung aus der Darstellung herausgehalten?
- Wird eine funktionale, klare Überleitung formuliert?
- Werden die zu erörternde(n) These(n) klar und angemessen benannt?
- Werden ggf. wichtige Grundbegriffe geklärt?
- Ist die Argumentation klar und logisch disponiert? Werden Pro und Contra sinnvoll (i.e. nicht notwendigerweise schematisch) gegenübergestellt bzw. verzahnt?
- Ist die Argumentation ergiebig? Werden keine wesentlichen Aspekte unterschlagen? Entfaltet die Erörterung ein hinreichend breites Spektrum?
- Erreicht die Argumentation eine Vertiefung? Verbleibt sie nicht nur bei der Handlungsoberfläche? Zieht sie vertiefende Deutungsdimensionen heran?
- Ist die Argumentation eigenständig? Werden auch Argumente angeführt, die über den Außentext hinausgehen? Werden die Thesen des Außentextes auch substanziell problematisiert?
- Werden die Argumente klar, plausibel und differenziert ausgeführt? Wird textbezogen argumentiert und werden zentrale Aussagen an den Text rückgebunden? Wird eigenes Fach- und Weltwissen einbezogen?
- Wird die Argumentation am Ende in einem Fazit gebündelt? Wird ein klares und differenziertes Ergebnis formuliert, das sich aus dem Begründungsgang ergibt?
- Ist immer erkennbar, dass eine fremde Meinung referiert wird? Werden Modus (Konjunktiv I), Verba dicendi und Zitate richtig eingesetzt?
- Wird in einer überwiegend sachlichen Sprache formuliert? Wird Fachsprache klar und sicher verwendet? Sind insgesamt die handwerklichen Standards beachtet? Wird immer das Präsens verwendet und die Consecutio temporum beachtet (Perfekt bei Vorzeitigkeit)? Ist der Aufsatz im Ausdruck angemessen und verständlich? Werden Verstöße gegen die Sprachrichtigkeit vermieden?
Hinweise
- Zu einer guten und sehr guten Leistung gehören Schwerpunktsetzung und Abstraktion. Inhaltliche Vollständigkeit ist nicht zu erwarten, die Lösungshinweise zu den Abituraufgaben bieten Anhaltspunkte, beschreiben aber nicht eine vom Schüleraufsatz zu erwartende Maximalleistung.
- Individuelle Wege in Schüleraufsätzen sind möglich und nicht per se schlechter; es ist jeweils zu prüfen, ob sie der Zielrichtung der Aufgabe entsprechen.
- Bei der Korrektur ist insbesondere auch auf klare Argumentationsstrukturen zu achten. Argumente müssen entfaltet und in ihrer Relevanz und Tragweite für die Problemstellung deutlich werden. Dabei muss auch das Gesamtverständnis der Ganzschrift einbezogen werden.
- Die Disposition lässt einen Gestaltungsspielraum. Sie muss sinnvoll und klar sein. Ein Schematismus wie das „Sanduhrmodell“ o.dgl. ist nicht verpflichtend.
1 http://www.deutsch-gymnasium.de/abitur/2010/Deutsch_Abitur_Operatorenkatalog_ab2010.pdf, S. 4; BP2016BW_ALLG_GYM_D, S. 81.
2 Ebd.
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